Metas Ankündigung, seine KI als Open Source frei verfügbar zu machen, sorgte nicht nur bei den eigenen Investoren, sondern auch bei den Konkurrenten Google und OpenAI für Unruhe. Meta begründete diesen Schritt damit, die KI-Technologie nicht nur weiterzuentwickeln, sondern auch moderne Tools und Modelle für eine breite Öffentlichkeit anbieten zu wollen, was sich langfristig auszahlen wird.
Für Anwender ist die Meta-KI über das Web und Facebook zugänglich und zudem in WhatsApp und Instagram integriert, was ihr bereits jetzt eine immense Reichweite verleiht. In diesem Artikel werden wir uns anschauen, was die Meta AI Llama 3 leistet, in welchen Bereichen sie anderen großen Sprachmodellen möglicherweise überlegen ist, und welche Strategie Meta langfristig verfolgt.
Die Llama-Serie: eine feste Größe in der KI-Welt
Llama steht für „Large Language Model Meta AI“ und ist Metas Sprachmodell für Künstliche Intelligenz. Dieses Modell, das im Februar 2023 ins Leben gerufen wurde, zielt darauf ab, mit anderen Spitzenmodellen wie GPT-4 von OpenAI oder Gemini von Google zu konkurrieren.
Die neueste Version, Llama 3, wurde am 18. April 2024 vorgestellt. Llama 3 kann Texte generieren und Fragen klar, kohärent und relevant beantworten. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, Bilder und Animationen zu erstellen, ähnlich wie ChatGPT, und das kostenlos zugänglich über Facebook.
Mark Zuckerberg selbst sagte dazu: „Wir aktualisieren Meta AI mit unserem neuen, fortschrittlichen Llama 3 Modell, das wir offen teilen. Mit diesem neuen Modell glauben wir, dass Meta AI jetzt der intelligenteste KI-Assistent ist, den man kostenlos nutzen kann.“
Aktuell ist Llama 3 in 14 Ländern in englischer Sprache verfügbar. Ein kleiner Teil der Trainingsdaten besteht bereits aus anderen Sprachen, noch sind andere Sprachvarianten jedoch nicht ausgereift. Wann die Meta KI nach Europa kommt, ist bislang nicht bekannt.
Was ist neu an Llama 3?
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Llama 3 und seinem Vorgänger Llama 2 ist der erweiterte Trainingsdatensatz, der siebenmal größer ist und 15 Billionen Token umfasst. Zum Vergleich: für GPT-4 wurden 13 Billionen Token zum Training herangezogen. Llama 3 gibt es derzeit in zwei Hauptvarianten, die sich durch die Anzahl ihrer Parameter unterscheiden: 8B und 70B. Das „B“ steht für das englische „Billion“, also Milliarden und gibt die Komplexität des Modells an.
Die 70B-Variante ist die umfangreichere und wurde mit Daten trainiert, die bis Dezember 2023 gesammelt wurden. Im Gegensatz dazu kennt die kleinere 8B-Version nur Daten bis März 2023. Diese Unterschiede im Trainingsdatensatz wirken sich auf die Aktualität und Relevanz der Antworten aus, die die Modelle generieren können.
Derzeit arbeitet Meta zudem an einer noch umfangreicheren Version des Modells mit 400 Milliarden Parametern (400B). Diese erweiterte Version wird voraussichtlich eine noch höhere Genauigkeit und Leistungsfähigkeit bieten und soll später im Jahr 2024 verfügbar sein.
Laut Facebook soll die Lernfähigkeit von Llama 3 effizienter als die seiner Vorgänger und Konkurrenten sein, mit einer besseren Anpassungsfähigkeit an neue Informationen und einer präziseren Ausführung von Aufgaben. Eine weitere Neuerung ist, dass Llama 3 eine lokale Ausführung von KI ermöglicht, ohne dass ein Webservice erforderlich ist, im Gegensatz zu ChatGPT, das den Zugang zu GPT-4 über eine Webanwendung erfordert.
Meta verfolgt mit Llama 3 einen „open by default“-Ansatz, um ein offenes KI-Ökosystem zu fördern. Dieser Ansatz ist, historisch betrachtet, im KI-Umfeld nicht neu. Auch OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, begann mit einer offenen und kollaborativen Vision. Das erste bedeutende Modell, GPT-2, wurde 2019 teilweise offen zugänglich gemacht. Mit GPT-3 änderte sich die Strategie von OpenAI. GPT-3 wurde nicht als Open Source veröffentlicht, sondern über eine API zugänglich gemacht. Diese Entscheidung basierte auf Sicherheitsbedenken und dem Wunsch, die Kontrolle über die Technologie zu behalten.
Als ChatGPT 2022 auf den Markt kam, wurde es als eine frei zugängliche Forschungs-Vorschau veröffentlicht, was bedeutete, dass Nutzer es kostenlos ausprobieren konnten. Die überwältigende Popularität und die schnelle Verbreitung führten jedoch dazu, dass OpenAI auf ein Freemium-Modell umstieg, bei dem eine kostenlose Basisversion und kostenpflichtige Abonnements für erweiterte Funktionen angeboten wurden. Ursprünglich als Non-Profit-Organisation gegründet, verfolgt OpenAI mittlerweile das Ziel, profitabel zu werden.
Natürlich ist das bei Facebook nicht grundlegend anders. Der Spruch „wenn Du nicht für das Produkt bezahlst, bist Du das Produkt“ ist hinlänglich bekannt. Facebook Meta, das Mutterunternehmen von Facebook, verfolgt mit der Veröffentlichung von Llama 3 mehrere kommerzielle und strategische Ziele. Llama 3 wird als eine der fortschrittlichsten offenen KI-Modelle beworben, was Meta dabei hilft, sich als führender Innovator in der Branche zu positionieren und die Nutzung seiner Plattformen durch Entwickler und Unternehmen zu fördern.
Indem Meta Llama 3 als Open Source bereitstellt, fördert das Unternehmen die Innovationskraft der Open-Source-Community. Dies führt nicht nur zu einem positiven Image, sondern ermöglicht es Meta auch, von den Beiträgen und Verbesserungen durch externe Entwickler zu profitieren. Langfristig kann dies die Entwicklungskosten senken und die Geschwindigkeit der technologischen Fortschritte erhöhen.
Und obwohl Llama 3 als Open Source verfügbar ist, kann Meta dennoch Einnahmen durch begleitende Dienstleistungen und Partnerschaften generieren. Beispielsweise können Unternehmen, die Llama 3 in großem Maßstab einsetzen möchten, auf Metas Cloud-Dienste oder andere spezialisierte Support-Dienste zurückgreifen. Diese Dienste können kostenpflichtig sein und Meta zusätzliche Einnahmequellen bieten.
Doch das wichtigste Asset bei Facebook sind und bleiben Daten. Durch die Bereitstellung eines weit verbreiteten KI-Modells kann Meta wertvolle Einblicke in die Nutzung und Bedürfnisse der Benutzer gewinnen. Diese Daten können dazu genutzt werden, Produkte und Dienstleistungen gezielt weiterzuentwickeln und anzupassen. Zudem stärkt die breite Nutzung von Llama 3 die Marktmacht von Meta, da es eine größere Kontrolle über die zugrunde liegende KI-Infrastruktur und deren Entwicklung gewinnt.
Metas Zusammenarbeit mit Startups
Prestigeträchtig ist sicherlich die Zusammenarbeit mit Hugging Face, bekannt für seine Open-Source-Transformers-Bibliothek, und dem französischen Cloud-Service Anbieter Scaleway. Meta hat sich mit diesen beiden Schwergewichten zusammengetan, um das „AI Startup Program“ zu starten. Das Programm zielt darauf ab, die Einführung von Open-Source-KI-Lösungen im französischen Unternehmertum zu beschleunigen. Dieses Programm, das am STATION F in Paris angesiedelt ist, unterstützt fünf Startups in der Beschleunigungsphase von Januar bis Juni 2024. Die Initiative zielt darauf ab, die wirtschaftlichen und technologischen Vorteile offener Modelle in das französische Ökosystem zu bringen und die Innovationskraft in Europa zu stärken.
Auch wenn Meta sich öffentlich der Open Source Gemeinde verpflichtet fühlt, ist diese Initiative natürlich kein Charityprojekt des Internetgiganten. Vielmehr profitiert Meta in vielerlei Hinsicht von dieser Kooperation: neben der positiven PR erlangt Meta durch diese Initiative auch Zugang zu Talent und Know How. Die Zusammenarbeit mit talentierten Forschern, Ingenieuren und Doktoranden von Meta’s FAIR Labor sowie Experten von Hugging Face und Scaleway kann dazu beitragen, die internen Innovationskapazitäten zu stärken und neue Ideen und Ansätze zu fördern. Zudem kann Meta langfristig neue Geschäftsmöglichkeiten und Partnerschaften erschließen, was zum Aufbau neuer Einnahmequellen beitragen kann.
Und last but not least: jeder Schlag gegen den Konkurrenten Google ist für Facebook ein Schritt in die richtige Richtung. Die Open-Source-Strategie von Meta zielt darauf ab, das Geschäftsmodell von Konkurrenten wie Google und OpenAI zu untergraben. Diese Firmen haben Schwierigkeiten, Geld für ihre KI-Dienste zu verlangen, wenn gleichwertige offene Alternativen verfügbar sind. Meta hingegen verdient sein Geld indirekt durch das Wissen über seine Nutzer und gezielter Werbung.
Im Werbemarkt sind Facebook und Google unerbittliche Marktbegleiter. Die beiden Konzerne konkurrieren intensiv in den Bereichen Online-Werbung, Social Media und Technologieentwicklung. Google dominiert den Suchmaschinenmarkt mit über 8,5 Milliarden Suchanfragen pro Tag. Google Ads bietet vielseitige Anzeigenformate und Remarketing-Möglichkeiten, die auf dem Nutzerverhalten basieren. Facebook hingegen punktet mit granularer Zielgruppenansprache durch detaillierte Nutzerprofile, was besonders für visuell ansprechende Werbeinhalte von Vorteil ist.
Sicherheit und Ethik
Mit der Veröffentlichung von Llama 3 hat Meta auch neue KI-Sicherheitstools eingeführt, darunter Llama Guard und Cybersec Eval. Diese Tools sollen Risiken klassifizieren und potenziellen Missbrauch bewerten. Ein weiteres Tool, Code Shield, filtert unsichere Code-Vorschläge während der Nutzung.
Llama Guard analysiert die Interaktionen und Anwendungen der KI, um potenzielle Sicherheitslücken und Missbrauchsmöglichkeiten frühzeitig zu erkennen. Durch kontinuierliche Überwachung und Analyse hilft Llama Guard dabei, die Integrität der KI-Modelle zu gewährleisten und sicherzustellen, dass sie in einer sicheren und kontrollierten Umgebung eingesetzt werden.
Cybersec Eval ergänzt Llama Guard, indem es eine tiefgehende Bewertung der Sicherheitsrisiken durchführt, die bei der Nutzung von KI-Modellen entstehen können. Dieses Tool untersucht die Sicherheit der Daten, die in den Modellen verwendet werden, und bewertet die potenziellen Bedrohungen, die durch unautorisierte Zugriffe oder Manipulationen entstehen könnten. CyberSec Eval ist darauf ausgelegt, eine umfassende Sicherheitsbewertung zu liefern und Maßnahmen zur Risikominderung zu empfehlen, um den Schutz der KI-Modelle und ihrer Daten zu gewährleisten.
Ein weiteres wichtiges Tool ist Code Shield, das unsichere Code-Vorschläge während der Nutzung filtert. Dieses Tool überprüft den von der KI generierten Code auf potenzielle Sicherheitslücken und Schwachstellen. Durch die Identifizierung und Filterung unsicherer Codes in Echtzeit hilft Code Shield Entwicklern dabei, sicherere Anwendungen zu erstellen und das Risiko von Sicherheitsvorfällen zu minimieren. Code Shield ist besonders nützlich für Entwickler, die KI-Modelle in sicherheitskritischen Anwendungen einsetzen, da es sicherstellt, dass der generierte Code den höchsten Sicherheitsstandards entspricht.
Meta betont, dass offene Initiativen wie Llama 3 zur Überprüfung und Zusammenarbeit anregen, aber die wahre Wirkung von einem umfassenden Ansatz zur AI-Governance und der Integration ethischer Grundsätze in den gesamten Lebenszyklus der KI-Systeme abhängt.
Soweit die Theorie. Facebook gehört zu den größten Technologieunternehmen der Welt und ist einer der Treiber der KI-Entwicklung. Allerdings stand Facebook schon des Öfteren in der Kritik, insbesondere im Hinblick auf KI-Ethik. Eine der größten ethischen Herausforderungen für Meta ist die Verbreitung von Fehlinformationen und Hassrede. Facebooks Algorithmen neigen dazu, Inhalte zu fördern, die starke emotionale Reaktionen hervorrufen. Dies führt oft zur Verbreitung von kontroversen und extremistischen Inhalten, die politische Spannungen verschärfen können. Es bleibt abzuwarten, ob eine frei zugängliche KI in diesen Händen am Besten aufgehoben ist.
Wie wird die KI von Facebook allgemein aufgenommen?
Die öffentliche Reaktion auf Meta AI und insbesondere auf das Llama 3 Modell ist gemischt. Einerseits wird die fortschrittliche Technologie und die Offenheit des Modells gelobt, andererseits gibt es deutliche Kritik und Bedenken.
Ein klarer Pluspunkt ist die Offenheit des Modells. Llama 3 ist wie gesagt frei verfügbar und kann von Entwicklern und Forschern weltweit genutzt werden. Diese Offenheit fördert Innovation und Zusammenarbeit in der KI-Community, was von vielen als positiver Schritt gesehen wird.
Auf Nutzerseite hingegen gab es bisher einige Kritik an Llama 3. Die Interaktion mit dem Chatbot sei in einigen Fällen verwirrend und unangemessen gewesen. Beispielsweise hat ein Meta AI-Chatbot in einer Facebook-Gruppe für Mütter fälschlicherweise behauptet, ein Kind zu haben, was zu Irritationen führte. Im direkten Vergleich mit ChatGPT schneidet Meta AI schlechter ab. Nutzer berichten von häufigeren Fehlern bei komplexen Aufgaben und weniger umfassenden Funktionen im Vergleich zu ChatGPT.
Darüber hinaus gibt es Bedenken hinsichtlich der Datenschutz- und Sicherheitsaspekte der offenen Nutzung von KI. Meta verwendet die Daten seiner Nutzer in großem Umfang, um seine KI-Modelle zu trainieren. Dies umfasst öffentliche Facebook-Posts, Instagram-Fotos und sogar Interaktionen mit Chatbots. Kritiker argumentieren, dass die Verwendung dieser Daten ohne ausreichende Transparenz und Kontrolle die Privatsphäre der Nutzer gefährde.
Meta AI: Wie stark ist die Open-Source-Intelligenz – Fazit: abwarten und beobachten
Eines ist also sicher: Metas Engagement im Bereich der Open-Source-KI, insbesondere mit dem Llama 3-Modell, zeigt das Bestreben des Unternehmens, sich als führender Innovator in der KI-Branche zu etablieren. Die Partnerschaften mit Hugging Face und Scaleway sowie die Unterstützung durch das AI Startup Program unterstreichen Metas Einsatz für die Förderung von Innovation und Unternehmertum in Europa. Während die Offenheit und Zugänglichkeit von Llama 3 als positiv gewertet wird und zur Förderung eines kollaborativen Ökosystems beiträgt, bleiben dennoch erhebliche ethische und sicherheitstechnische Bedenken bestehen.
Die Risiken der Verbreitung von Fehlinformationen, die bereits in der Vergangenheit problematisch waren, könnten durch den offenen Zugang zu leistungsstarken KI-Modellen verstärkt werden. Zudem bleiben Datenschutzfragen und die ethische Nutzung der gesammelten Daten zentrale Punkte der Kritik. Trotz dieser Herausforderungen bietet Metas Ansatz das Potenzial für erhebliche Fortschritte in der KI-Technologie und könnte langfristig zur Schaffung eines robusteren und innovativeren digitalen Ökosystems beitragen.
Letztlich wird die Zukunft von Meta’s KI-Initiativen davon abhängen, wie effektiv das Unternehmen diese ethischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen meistern kann, während es gleichzeitig die Innovation und den offenen Zugang zu KI-Technologien vorantreibt. Die Balance zwischen technologischem Fortschritt und verantwortungsvollem Umgang mit KI bleibt dabei der Schlüssel zum Erfolg. Bisher hat sich Facebook in Sachen KI-Ethik nicht gerade positiv hervorgetan. Hoffen wir, dass die Zukunft rosiger aussieht.
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