Nach den ersten Gehversuchen mit ChatGPT folgt oft die Ernüchterung. Sobald Neulinge die auf den ersten Blick perfekten Antworten einmal genauer anschauen und hinterfragen, fallen die ersten Ungereimtheiten auf. Hier ist die Antwort unvollständig, da hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen, und dort ist das Ergebnis grob irreführend. Wer einfach nur irgendwelche Fragen und Anweisungen als Prompt an ChatGPT übergibt, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Ergebnis nicht auf den ersten Blick passt.
In diesem zweiten Artikel der dreiteiligen Artikelserie zum Einsatz von ChatGPT für Entwickler geht es um Best Practices und empfohlene Richtlinien. Darf man den Ergebnissen blind vertrauen? Soll ich sensible Daten teilen? Und wo liegen eigentlich die Grenzen von ChatGPT? Unser Fokus liegt hierbei wie im ersten Artikel auf der Webentwicklung und dem praktischen Einsatz.
Und schon geht es los mit den 10 Best Practices zum Einsatz von ChatGPT:
1. Vertrauen Sie den Ergebnissen von ChatGPT nicht blind!
Das Wichtigste zuerst: Vertrauen Sie den Ergebnissen von ChatGPT nicht blind. Auch wenn die Antworten oftmals auf den ersten Blick korrekt aussehen und viel Sinn ergeben, kann es sein, dass die Informationen nicht korrekt sind. Nicht ohne Grund steht mittlerweile unter dem Eingabefeld der Hinweis: »ChatGPT kann Fehler machen. Überprüfe wichtige Informationen.«.
Die Antworten sollten immer von Ihnen hinterfragt werden, und vor allem bei einigen wichtigen Themen sollten Sie stets Vorsicht walten lassen und die Informationen, die ChatGPT Ihnen gibt, auch überprüfen. Dies können Sie z.B., wenn Sie sich im Thema selber sehr gut auskennen oder Sie jemanden kennen, der Experte in diesem Bereich ist. Gerade bei Codebeispielen oder Kommandos, die Sie in einem Terminal eingeben, müssen Sie wissen, was Sie tun. Schnell ist ein Befehl ausgeführt, der wichtige Daten löscht oder wichtige Komponenten auf Ihrem Rechner deinstalliert.
Also vertrauen Sie den Antworten nicht blind, sondern versichern Sie sich, dass sie korrekt sind.
2. Verlassen Sie sich nicht allein auf ChatGPT!
Ein weitere wichtiger Punkt ist, dass Sie sich nicht allein auf ChatGPT verlassen sollten. Wenn Sie Fragen zu einem Framework oder einer Komponente haben, die Sie einsetzen, sollten Sie die Antwort gegenprüfen. Dies können Sie z.B., indem Sie in die Dokumentation und auch mal nach zentralen Bestandteilen des von ChatGPT präsentierten Codes in Suchmaschinen schauen. Dann passiert Ihnen nicht, was ich im ersten Artikel erwähnt habe, als ChatGPT eine Laminas-Komponente erfunden hat, die es gar nicht gab.
Somit sollten Sie die Ergebnisse immer mit anderen Quellen abgleichen. Dies kann neben der Dokumentation und einer Suche bei Google, Bing & Co. auch das Befragen von Kollegen oder einer anderen KI wie Claude sein. Das Zurate-Ziehen anderer Quellen kann Sie auch dabei unterstützen, die Ungereimtheiten aus den Antworten zu überprüfen und schützt Sie davor, Fehler zu vermeiden.
3. Teilen Sie keine sensiblen Daten oder geschütztes geistiges Eigentum
Schnell haben Sie mal eben ein vertrauliches Dokument oder einen zentralen Bestandteil Ihres Codes in ChatGPT eingegeben, um sich von der KI helfen zu lassen. Es sind schon Fälle zu Ohren gekommen, da haben Unternehmen die Bewerbungen mehrerer Kandidaten mit der Bitte an ChatGPT gesandt, den geeignetsten Bewerber auszuwählen. Oder jemand hat sich Hilfe bei der Lösung eines Bugs in einer zentralen Komponente von ChatGPT erhofft und dann in einem Codebeispiel aus Versehen geheime Zugangsdaten oder Passwörter mitübertragen.
Wenn Sie unsicher sind, ob Sie diese oder jene Informationen mit ChatGPT teilen sollen, dann entscheiden Sie sich in der Regel dagegen. Oder passen Sie sie im Zweifel wenigstens an. Natürlich wird beim Übermitteln der Zugangsdaten einer geschützten API für ein Codebeispiel von Ihnen nicht sofort eine ganze Bot-Armee auf Ihrem Server einfallen. Aber dennoch sollten Sie immer im Hinterkopf behalten, dass Sie sensible Daten und geschütztes geistiges Eigentum nicht mit ChatGPT teilen.
4. Erwarten Sie keine Perfektion!
Hier rückt wieder der Mythos des »One-Shot« Bots in den Fokus. Die Antworten, die Sie von einer KI wie ChatGPT bekommen, sind niemals perfekt. Sie können immer verbessert werden. Entweder indem Sie durch kluge und fundierte Nachfragen das erste Ergebnis schrittweise verbessern. Oder indem Sie das Ergebnis, das Sie erhalten haben, mit Ihrer eigenen Expertise verfeinern und verbessern. Wer glaubt, dass nach einem schnell dahin getippten Prompt sofort die perfekte Antwort kommt, ist auf dem Holzweg.
Deshalb sollten Sie immer darauf achten, dass Sie die erhaltenen Antworten selber noch einmal überarbeiten und optimieren, bevor Sie diese in Ihre Arbeit übernehmen oder als Basis für weitere Aufgaben verwenden. Gerade beim Erstellen von Codebeispielen hilft es z.B. auch, nach der erhaltenen Antwort noch einmal nachzufragen, ob ChatGPT sich da wirklich sicher ist. Recht häufig können vermeintlich perfekte Antworten dadurch noch mal optimiert werden.
Mit dem neuesten kostenpflichtigen Modell “ChatGPT-4o with canvas” kann dies sogar schrittweise erfolgen. Wenn Ihnen in einem von ChatGPT erstellten Codebeispiel etwas nicht gefällt, können Sie den Teil markieren und dafür explizit nachfragen und um Verbesserungen bitten. Dann wird auch nur dieser Teil verändert, und der Rest bleibt bestehen.
5. Achten Sie auf Recht und Ethik!
Es ist wichtig, dass Sie beim Einsatz von ChatGPT auch rechtliche und ethische Aspekte beachten. Es sollte natürlich selbstverständlich sein, dass wir eine KI nicht für illegale Dinge verwenden. Wer versucht, mit Hilfe von ChatGPT eine Bombe zu bauen, wird enttäuscht werden. Gleiches gilt für das Hacken von Websites oder das Ausführen von Denial-of-Service-Attacken.
Neben illegalen Aktivitäten gibt es auch ethische Gesichtspunkte, die es zu beachten gilt. Wer z.B. alle Inhalte einer Website oder ein ganzes Buch durch ChatGPT erstellen lässt und dies nicht an geeigneter Stelle erklärt, handelt nicht sehr transparent. Auch das Schreiben diskriminierender Beiträge mit Hilfe einer KI ist vom ethischen Gesichtspunkt aus keine gute Idee. Also bitte auf Recht und Ethik achten und die Möglichkeiten der generativen KI nicht missbrauchen.
6. Stellen Sie klare und präzise Fragen!
Einer der wichtigsten Best Practices ist die Richtlinie, immer klare und präzise Fragen zu stellen. Wer sich unklar ausdrückt oder unkonkrete Fragen stellt, sollte sich nicht wundern, wenn dann die Antworten auch eher allgemein und nichtssagend sind. Es macht einen Unterschied, ob ich frage »Was kann ich machen, wenn mein Server nicht erreichbar ist?« oder ob ich frage »Was kann ich machen, wenn mein Server nach der Neuinstallation von PHP 8.3 und einem Neustart keine Seiten mehr ausliefert, sondern nur noch eine weiße Seite ausgibt?«
Je mehr Details Sie in der Nachricht an ChatGPT mitteilen, je mehr Infos Sie liefern und je konkreter Sie Ihre Fragen stellen, desto besser werden auch die Ergebnisse. Oftmals ist es auch eine gute Idee, die KI zu fragen, welche weiteren Infos noch von Ihnen gebraucht werden. Dann bekommen Sie weitere Fragen gestellt und, sobald Sie die Antworten gegeben haben, steigt die Wahrscheinlichkeit sehr, dass Ihnen noch gezielter geholfen werden kann.
7. Kennen Sie die Grenzen von ChatGPT!
ChatGPT ist keine eierlegende Wollmilchsau, die jede Aufgabe ausführen kann, die auch ein Mensch ausführen könnte. ChatGPT ist eine generative KI und dafür geschaffen worden, Eingaben zu analysieren und neue Texte zu generieren. Wie schon im ersten Artikel erläutert, steht GPT für »Generative Pre-trained Transformer« für Texte. Mittlerweile kann aber auch das für registrierte Nutzer kostenlos verfügbare Modell “ChatGPT-4o” ebenfalls Bilder mit DALL-E erstellen. Zudem gibt es diverse Plugins, um Prompts für Midjourney und andere KI-Tools zu generieren.
Es gibt viele Beispiele im Netz, anhand derer gezeigt werden soll, dass KI nicht intelligent sei. Dabei werden dann vermeintlich einfache Rechenaufgaben gestellt und, wenn die KI zur Textgenerierung dabei einen Fehler macht, dann soll dies als Beweis für was auch immer dienen. Eine generative KI darf nicht mit einer generellen KI verwechselt werden, die alles kann und irgendwann wie Skynet aus den Terminator-Filmen ein Bewusstsein entwickelt und die Menschen als Feind erkennt.
ChatGPT ist sehr gut darin, die Intention des Nutzers aus dessen Anfrage zu erkennen und auf Basis seiner umfangreichen trainierten Daten eine passende Antwort in Textform zu generieren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
8. Holen Sie sich Expertenrat und bilden sich weiter!
Ich nutze ChatGPT bei meiner täglichen Arbeit immer öfter, indem ich es als Experten für ein bestimmtes Thema einsetze. Der Begriff Chat wurde nicht grundlos gewählt, denn mit der KI kann ich super Dialoge führen und mir so ein bestimmtes Thema schrittweise selber erarbeiten. Dabei wird ein Chatverlauf mit der Zeit immer umfangreicher, und die Diskussion kann sich auch schon mal über Wochen oder Monate erstrecken.
Wer sich Themen wie testgetriebene Entwicklung, Domain Driven Design oder Event Sourcing erarbeiten will, dem steht mit ChatGPT nun eine neue Wissensquelle zur Verfügung. Wichtig ist dabei aber auch erneut, dass ich die Antworten hinterfrage oder ChatGPT auch mal bitte, das Thema von mehreren Seiten zu betrachten. ChatGPT kann hier als rund um die Uhr verfügbarer Experte dienen, um sich eigenständig in neue Themen einarbeiten zu können.
9. Nutzen Sie ChatGPT als Ergänzung!
Manchmal kann es ganz hilfreich sein, ChatGPT als Ergänzung zu verwenden. Wenn ich z.B. eine komplexe Methode erstellt oder eine Reihe von Tests für eine neue Klasse entwickelt habe, kann ChatGPT ergänzend unterstützen. Da frage ich dann einfach, ob es Ideen für weitere Testfälle gibt oder wie diese Methode optimiert werden kann. Wichtig ist dabei wie so oft, den Kontext zu liefern, was optimiert werden soll.
Es ist ein Unterschied, ob eine Methode übersichtlicher geschrieben werden soll oder performanter sein soll. Genauso ist es ein Unterschied, ob bei einem Unit Test ganz neue Testfälle erstellt oder neue Randwerte getestet werden sollen. Aber dennoch kann ChatGPT als Ergänzung zur eigenen Arbeit genutzt werden.
10. Dokumentieren Sie Ihre Interaktionen!
Irgendwann erinnern Sie sich daran, dass Sie ja ChatGPT mal zu diesem oder jenem Thema befragt hatten. Die automatisch generierten Namen für die einzelnen Chats geben aber nicht unbedingt immer genau das wieder, was Sie selber unter der Diskussion verstehen. Je häufiger Sie ChatGPT nutzen, desto länger wird Ihr Verlauf. Sollten Sie nicht regelmäßig die Einträge umbenennen oder auch löschen, kann es nach einiger Zeit immer schwerer werden, eine ältere Diskussion wiederzufinden.
Hierfür eignen sich zwei einfache Strategien. Zum einen können Sie den Namen des Chats so namentlich anpassen, dass Sie ihn schnell wiederfinden. Beispielsweise benenne ich besonders wichtige Themen so, dass ich ein => voranstelle. Eine andere Möglichkeit sind die guten alten Bookmarks im Browser oder das Verlinken in Ihrem internen Wiki.
Best Practices von ChatGPT – Fazit: Alles kann, nichts muss
Wer ChatGPT in der täglichen Arbeit einsetzen möchte, sollte sich die in diesem Artikel gezeigten Best Practices zu Herzen nehmen und sie regelmäßig anwenden. Nur so können sie verinnerlicht werden und Ihnen dabei helfen, ChatGPT wirklich sinnvoll einzusetzen und nicht schnell enttäuscht zu werden. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber wir Entwickler haben mit ChatGPT eine tolles neues Werkzeug, das wir schon heute sehr produktiv einsetzen können.
Im dritten und letzten Teil dieser Artikelserie schauen wir uns dann an, was einen guten Prompt ausmacht. Außerdem betrachten wir, welche Rollen – wie z.B. Entwickler, Product Owner und Tester – ganz konkret mit ChatGPT ihre tägliche Arbeit vereinfachen können.
Titelmotiv: Photo by Antonio Janeski on Unsplash
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