Ein Kunde sagte einmal zu mir: „Bevor ich Dich getroffen habe, hatte ich ein Problem. Jetzt habe ich 30.“ Was er damit meinte: Vor meiner Beratung wusste er, dass er ein massives Problem im Bereich SEO hat. Nach der Seitenanalyse kannte er 30 konkrete Fehler, die es nun zu beheben galt, einige durchaus grundlegend und aufwändig.

Was also im ersten Moment amüsant klingt, ist Ausdruck einer ernstzunehmenden Herausforderung: SEO braucht Ressourcen. Und jede IT-Abteilung hat bereits vor einer ausführlichen SEO-Analyse alle Hände voll zu tun. Niemand in der Entwicklung hat nur darauf gewartet, Status Codes glatt zu ziehen oder interne Linkstrukturen zu optimieren.

Die Folge ist oft Frust auf beiden Seiten. Die SEO-Abteilung oder externe Beratung wartet oft unverhältnismäßig lange auf die Umsetzung der eingepflegten Tasks. Die IT-Abteilung versucht, die offenen Tasks ins nächste oder übernächste Deployment zu schieben und bearbeitet dann doch andere Tasks mit höherer Priorität, weil der Stakeholder sich irgendwie deutlicher bemerkbar gemacht hat.

Das Nadelöhr ist hier, wie so oft, die Kommunikation.

  • Kann ich mein Anliegen deutlich genug vorbringen?
  • Kann ich vermitteln, welchen direkten Effekt die Maßnahme auf die Performance der Seite haben wird?
  • Kann ich einen Task so konkret beschreiben, dass er direkt umgesetzt werden kann?
  • Und last but not least: Habe ich überhaupt den richtigen Ansprechpartner für die Umsetzung adressiert?

Zusätzlich muss ich als SEO die Aufgabe so gut verstehen, dass ich realistisch einschätzen kann, welchen Aufwand es mit sich bringt, den Fehler zu beheben, welchen Effekt die Fehlerbehebung auf die Seite haben wird und mit welcher zeitlichen Dringlichkeit die Umsetzung anzugehen ist. Gerne sehen wir vor lauter SEO-Bäumen den Wald nicht mehr und vergessen, dass die technische und/oder redaktionelle SEO eben nur ein Rädchen im Getriebe des Unternehmens ist – wenn auch ein weitaus wichtigeres, als Externe oft vermuten.

Der SEO Worst Case

Beginnen wir mal mit der Beschreibung eines klassischen Worst Case Szenarios in der SEO-Beratung: Der Berater oder die Beraterin erhält den Auftrag, die Seite grundlegend im Hinblick auf technische Mängel und Content-Potenziale zu analysieren. Nach zwei Wochen Analysearbeit im fensterlosen Keller präsentiert der SEO stolz 120 Powerpointfolien mit SEO-Mängeln und dem Fazit, nicht ohne Stolz in der Stimme: „Bei Euch funktioniert gar nichts.“

Nun, abgesehen davon, dass in dieser Form der Kommunikation schon einiges grundlegend schief läuft, vorab: Das Unternehmen hat schon vor der Analyse funktioniert. Und wird auch danach weiter funktionieren. Das Fazit lassen wir so also schon einmal nicht stehen. Doch switchen wir nun mal auf die Kunden- bzw. Umsetzerseite: Was soll ich mit dieser Fülle an Daten anfangen? Wo soll ich anfangen? Und was soll ich genau tun?

Ganz basal lässt sich also schon einmal festhalten: SEO-Tasks, die nicht nach Priorität und Aufwand sortiert und in eine Timeline eingeordnet wurden, sind wertlos. Ein Erschlagen mit Daten führt in den seltensten Fällen zu einem echten Doing und hat damit außer einem übergroßen Funken Selbstdarstellung des verantwortlichen SEOs kaum einen Mehrwert in der Zusammenarbeit.

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SEO-Umsetzung: wenn uns 40 Prozent schon zufriedenstellen

Vor einiger Zeit hat Hanns Kronenberg, Senior SEO bei chefkoch.de und ein Urgestein der SEO-Branche, die fantastische Kristina Azarenko zitiert, die bei Twitter gefragt hat: Wie viel Prozent Eurer SEO-Empfehlungen werden umgesetzt? Das ernüchternde Ergebnis: Bei mehr als der Hälfte der Befragten werden nur 20 bis 40 Prozent der Empfehlungen tatsächlich implementiert.

Für Hanns Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, dass erfolgreiches SEO nicht nur das Erteilen von Ratschlägen ist, sondern sich ebenfalls um die Umsetzungsbetreuung zu kümmern hat. Das ist zu 100 Prozent korrekt, passt aber leider häufig nicht in die reale Auftragslage externer Berater. Noch immer wird mal als SEO-Berater gerne einmal „für ein Projekt“ gebucht. Und dieses Projekt besteht oft nur aus der sorgfältigen Analyse – die Umsetzungsbetreuung wird dann inhouse übernommen. Oder eben nicht.

1000 SEO Empfehlungen Abbildung 1 - Screenshot: Facebook

Screenshot: Facebook

Stefan Vorwerk, Head of SEO bei About You, merkt im Kommentar an: Wenn die 20 Prozent umgesetzt werden, die 80 Prozent der Probleme lösen, dann ist doch alles gut. Und genau darum soll es im Folgenden in diesem Artikel gehen: Welche Empfehlungen soll ich denn wirklich umsetzen?

Die Low Hanging Fruits im SEO – und wie man sie erntet

Machen Sie sich Sorgen um die SEO-Performance Ihrer Website? Dann schauen Sie sich im ersten Schritt die Dateigröße Ihrer eingebundenen Bilder an.

Klingt banal? Ist es auch. Doch bei hunderten detaillierten SEO-Audits, die ich bereits in meinem Leben durchgeführt habe, war ein Punkt fast immer hauptursächlich dafür, dass die Seite zu langsam lädt und nicht performant ist: Bilder mit 900 KB Dateigröße und einer Kantenlänge von 2000 px, die dann als Thumbnail auf 150 px Länge skaliert werden und niemals, niemals in der Originalgröße auf der Seite eingebunden werden.

Doch selbst mit 2000 px Kantenlänge darf die Dateigröße die 100 KB nicht überschreiten. Punkt. Das ist ein ganz basaler, grundlegender Punkt in der Seitenoptimierung, der noch immer übersehen wird. Bringen Sie all Ihre Bilder auf eine Dateigröße unter 100 KB und Sie haben einen ersten wichtigen Schritt in der Optimierung Ihrer Seite getan.

Und falls wir nicht über Ihre eigene, kleine WordPress-Installation sprechen, sondern über die Website eines Konzerns, dann sollte der SEO-Berater oder die SEO-Abteilung gut verstehen, wer für diesen Task zuständig ist: die IT? Oder doch besser die Grafikabteilung, die die benötigten Bilder anliefert?

1000 SEO-Empfehlungen Abbildung 2 - Screenshot: Screaming Frog SEO Spider

Screenshot: Screaming Frog SEO Spider

In den meisten Fällen werden die Bilddateien durch die Bildredaktion oder die Grafikabteilung zur Verfügung gestellt. Hier macht es Sinn, grundlegendes SEO-Know How direkt bei den Verantwortlichen zu platzieren. „Dateigröße kleiner als 100 KB“ ist der erste, wichtigste Schritt. Aber auch: das Bild entsprechend benennen und im Dateinamen auf Sonderzeichen, Großbuchstaben, Unterstriche und Ähnliches verzichten. Moderne Bildformate verwenden. Mit der Konzeption realistische Viewports festlegen und vorab definieren, welche Kantenlängen überhaupt benötigt werden. Wenn die Grafikabteilung wirklich versteht, warum sie das tut, gewinnen im Endeffekt alle. Und die IT muss nicht die Augen verdrehen, da Tasks bei ihr gelandet sind, für die sie im Endeffekt gar nicht zuständig ist.

Warum wir uns nicht von Daten im SEO erschlagen lassen sollten

Ein Bereich, der oft großes Optimierungspotenzial besitzt und in dem die SEO-Beratung hunderte Tasks formulieren kann, ist die Performanceoptimierung und die Optimierung der Web Vitals. Ein Crawl im Hinblick auf den Pagespeed deckt Bereiche wie Bildoptimierung, CSS-Komprimierung, Eliminierung von ungenutztem JavaScript, Textkomprimierung und vieles mehr ab. Gerne kommen hier unzählige Einzeltasks zusammen, die die IT-Abteilung umzusetzen hat.

Wie kann man nun in dieser Fülle an Daten den Überblick behalten?

1000 SEO-Empfehlungen Abbildung 3 - Screenshot: Screaming Frog SEO Spider

Screenshot: Screaming Frog SEO Spider

Mein Vorgehen ist recht pragmatisch und sicherlich nicht ganz wasserdicht, gibt aber im ersten Schritt einen Hinweis auf eine mögliche Priorisierung. Bei einem Crawling mit dem Screaming Frog SEO Spider erhalte ich zu jeder Optimierungsmöglichkeit einen Wert, wie groß das Einsparpotenzial dieser Maßnahme für jede gecrawlte URL ist.

Ich bilde in einem ersten Schritt zu jeder Maßnahme die Summe des Einsparpotenzials über die gesamte Webpräsenz hinweg. Wie gesagt: Das ist keine wasserdichte Methode, zeigt mir aber zunächst einmal, welches Einsparpotenzial im Hinblick auf die gesamte Domain vorhanden ist. Nehmen wir also einmal an, die Gesamtpräsenz kann am meisten Ladezeit einsparen, wenn ungenutztes JavaScript nicht mehr referenziert und damit nicht mehr geladen wird.

Im nächsten Schritt schaue ich mir auf Einzel-URL Basis an, welche URLs davon am meisten betroffen sind. Hier wiederum werfe ich einen Blick auf die referenzierten JavaScripte und versuche, Muster zu erkennen. Im Idealfall (und der kommt häufig vor) handelt es sich nämlich um immer wieder die gleichen Scripte, die nicht benötigt werden. Ich versuche also zu ermitteln, ob es eine Stelle der Webpräsenz gibt, wo diese Skripte benötigt werden und beschließe für alle anderen URLs, die Scriptreferenz zu entfernen. Im Hinblick auf eine einfache Kommunikation formuliere ich einen konkreten Task, hier im Beispiel in JIRA:

1000 SEO-Empfehlungen Abbildung 4 - Vorgang erstellen

Wenn ich dies für die größten Einsparpotenziale durchexerziert habe, nehme ich mir noch einmal gesondert die Haupt-Templates der Seite vor (Startseite, Kategorieseiten, Produktdetailseite etc.) und jage diese durch das Google Pagespeed Tool. Nun kann ich abgleichen, ob weitere Einsparpotenziale vorhanden sind, die für diese Schlüsselseiten von großer Wichtigkeit sind oder ob ich alle Mängel bereits als Tasks formuliert habe. Der Output: konkrete To-Dos und eine Reduzierung der Datenmenge auf einen überschaubaren und händelbaren Level. Und im Idealfall: eine glückliche IT und eine entsprechend schnelle Umsetzung!

SEO? Das sind doch H-Tags, oder?

Wir haben im vorliegenden Artikel bereits gesehen, wie wichtig es ist, innerhalb der Optimierungspotenziale Einzeltasks zu priorisieren, richtig zu adressieren und konkret zu formulieren. Wie verhält es sich jetzt aber noch eine Ebene höher – bevor man überhaupt weiß, dass Performance-Optimierung ein wichtiger Hebel sein könnte?

Wenn man sich mit SEO beschäftigt, begegnet man ständig gefährlichem Halbwissen. Jeder hat schon einmal irgend etwas über SEO gehört oder irgendetwas in diesem Bereich gemacht. Die Klassiker, die einem dabei begegnen, sind Aussagen wie: „Wir sollten die H-Tags optimieren, oder?“

First of all: Ja, es macht Sinn, saubere Überschriften auf der Seite eingebunden zu haben. Ob die einen nun aber von Position 32 auf Position 3 katapultieren, sei dahingestellt (oder kurz: nein, das wird nicht passieren). Viel wichtiger ist eine saubere Aufteilung eines Artikels in Hauptüberschrift und Kapitelüberschriften für z.B. Screenreader und Personen, die auf diese Hilfsmittel angewiesen sind. Aber auch für Redakteure macht eine saubere Strukturierung eines Artikels Sinn, um entsprechende Unter-Keywords zu platzieren und Teilaspekte erschöpfend zu bearbeiten.

Leider gibt es aber auch 2022 noch CMS, die H-Tags einfach als Design-Elemente nutzen. Anscheinend haben wir SEOs es noch immer nicht geschafft, diesen Fehler global ausreichend zu formulieren. Und wenn selbst ein Platzhirsch wie WordPress es heute noch nicht hinbekommt, Widget-Überschriften nicht mit H-Tags, sondern einfach mit Divs auszuzeichnen, wie soll man diesen Task dann überhaupt angehen?

Gar nicht. In vielen Fällen ist das leider die beste Antwort. Denn die korrekte Verwendung von H-Tags ist nicht für jeden gleichermaßen wichtig. Ein Publisher, dessen Hauptbusiness im Veröffentlichen von Artikeln liegt, braucht ein sauberes HTML-Template, alles andere wäre grob fahrlässig. Aber ein Autohändler, der sein Ladenlokal online mit einem 6-Seiter vorstellt, hat ganz andere Hebel, die es zu betätigen gilt. Wahrscheinlich kann man hier sogar gänzlich auf Onpage-SEO verzichten und sich voll auf Google Local konzentrieren, um die eigene Reichweite zu steigern.

1.000 SEO-Empfehlungen – Fazit

Genau das, das Sortieren von sinnvollen Tasks ins Töpfchen, Nice-to-Haves ins Kröpfchen, entscheidet im Endeffekt über erfolgreiches SEO vs. Sterben in Schönheit. Die Aufgabe jeder guten SEO-Beratung oder SEO-Inhouse-Abteilung ist es, deutlich abzugrenzen, welche Aufgaben durch die bereits ausgelastete IT (oder andere Abteilungen im Unternehmen) anzugehen sind und welche man getrost ignorieren kann.

Und wenn diese Sortierung erfolgt ist, heißt die nächste Herausforderung: Kommunikation. Kein Mitarbeiter möchte sinnlose Arbeit verrichten. Jeder möchte verstehen, warum er etwas tut und welchen Effekt das hat.

SEOs tendieren dazu, in ihrer eigenen kleinen Bubble zu leben, in der es selbstverständlich ist, dass CSS Files minimiert werden oder kritisches CSS „above the fold“ inline eingebunden wird. Doch die Welt außerhalb dieser Bubble sieht ganz anders aus – und blickt ganz anders auf die Website und ihre Potenziale. Hier gilt es deutlich zu kommunizieren, welchen Effekt welche Maßnahme haben wird. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe.

Wenn dies gelingt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Umsetzungsquote von 40  auf 70 Prozent steigt. Und SEO kein Nischenprodukt ist, dass man nach einem Relaunch einfach mal so „dazu implementiert“, sondern im Idealfall in die Unternehmens-DNA übergeht und in Zukunft einfach direkt mitgedacht wird.

Und für SEOs gilt: einfach einmal ein paar Schritte zurückgehen und das große Ganze betrachten. Und dann realistisch und frei vom Ego entscheiden, was wirklich zählt und das Unternehmen als Ganzes wirklich vorantreiben wird. Unsere Disziplin ist wichtig. Aber sie ist nur ein Rädchen im Gesamtgetriebe, wenn auch ein oft unterschätztes.

 

Titelmotiv: Photo by NisonCo PR and SEO on Unsplash

Astrid Kramer

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