Alle zwei Jahre präsentiert das Retune Festival in Berlin neu innovative Schnittstellen zwischen Kunst, Design und Technologie. Zum bereits 5. Mal kamen Ende September 2018 wieder mehr als 500 Interessierte aus der weltweiten Retune Community in Berlin zusammen und Host Europe war als Sponsor dabei. Die Planungen für die nächsten Folgeveranstaltungen laufen bereits. Wir sprachen mit Julian Adenauer, dem Gründer und Direktor von @retuneberlin über die Idee hinter dem Retune Festival und die Projekte der Retune Community.
Host Europe: Julian, ihr habt Ende September wieder ein Retune Festival in Berlin veranstaltet. Welche Idee steckt hinter dem Retune Festival?
Julian: Die Idee des Festivals ist es, der kreativen Szene, die sich mit neuen Technologien beschäftigt, eine Bühne und einen Ort für Austausch und Lernen zu bieten. Neben Vorträgen und Diskussionen legen wir immer viel Wert darauf, dass die Teilnehmer auch selber aktiv werden können und sich in Workshops neue Fähigkeiten aneignen können. Das Spektrum reicht dabei von Einsteiger-Workshops in verschiedene kreative Programmier-Tool (z.B. vvvv, Arduino) über E-Textiles bis hin zu Experimenten mit Algen.
Host Europe: Wie oft veranstaltet ihr das Retune Festival und wer kann daran teilnehmen?
Julian: Das Festival gibt es seit 2012. Zunächst fand es jeden Jahr statt, momentan sind wir in einem zweijährigen Rhythmus angelangt. Gerade denken wir aber darüber nach, nächstes Jahr vielleicht doch schon wieder eins zu machen.
Teilnehmen kann grundsätzlich erstmal jede und jeder. Man muss sich nur ein Ticket kaufen. Das Bühnen- und Workshop-Programm wird von uns kuratiert. Aber auch hier bieten wir viele offene Türen für Menschen, die sich einbringen möchten. Beispielsweise veröffentlichen wir einige Monate vor dem Festival einen Open Call und nehmen Ideen für Vorträge und Workshops entgegen.
Host Europe: An welche Zielgruppe richtet ihr euch? Wie würdest du den typischen Besucher eures Festivals beschreiben?
Julian: Es gibt unterschiedliche Typen von Teilnehmern. Einige haben einen technischen Hintergrund, sind Freelancer oder arbeiten als Developer in einem Startup oder einem größeren Unternehmen. Sie interessieren sich dafür, was man mit Code vielleicht noch für spannende Dinge anstellen kann.
Viele Teilnehmer kommen aber aus dem kreativen Bereich, sind Designer, Künstler oder aus dem Marketing.
Eine dritte Gruppe hat eher eine gesellschaftliche Perspektive und interessiert sich dafür, wie Zukunft aussehen kann und wie wir sie gestalten können.
Host Europe: Wie grenzt ihr euch als Retune-Community von der sogenannten Maker-Scene ab? Ihr wollt mehr techie sein. Wo genau sind da die Unterschiede? Kannst du das etwas näher beschreiben?
Julian: Versteh mich nicht falsch, wir profitieren sehr vom Maker Movement und stehen da auch selber mit halbem Bein drin. Ganz trennen lässt sich das nicht und das wollen wir ja auch überhaupt nicht. Unsere Community besteht aber tendenziell weniger aus „Bastlern“ und Hobbyisten, sondern mehr aus Menschen, die sich auf irgend eine Weise professionell mit dem Thema beschäftigen. Auch wenn wir natürlich offen sind haben wir doch einen hohen Qualitätsanspruch, was die Beiträge innerhalb des Festivals angeht.
Auch haben bei uns mehr kritische und diskursive Postionen und Formate einen Platz.
Host Europe: Was waren deine persönlichen Highlights des Retune Festivals?
Julian: Leider bekomme ich vor Ort vom eigentlichen Programm immer viel zu wenig mit, weil ich mich um andere Dinge kümmern muss oder auch einfach nicht die Ruhe habe, mich in einen Vortrag oder Workshop zu setzen.
Ich habe mich aber sehr gefreut, dass wir internationale größen der Szene wie Elliot Woods von Kimchi & Chips und Evan Roth dabei hatten. Aber das Festival lebt nicht nur von Keynotes, sondern von der Vielschichtigkeit der vielen internationalen und lokalen Akteuren, die dem Festival eine große Bandbreite von Themen und Positionen geben.
Host Europe: Nehmen wir das Beispiel Kimchi & Chips: Wie arbeiten Künstler, Designer und Programmierer konkret zusammen? Wer ist der Ideengeber?
Julian: Häufig kann man die Grenze hier gar nicht so klar ziehen. Wir haben es viel mehr mit Grenzgängern zu tun. Klar, einige sind mehr technologiegetrieben und andere denken stärker konzeptionell. Es geht aber immer darum, sich auf einander zu zu bewegen, um spannende neue Dinge zu erschaffen.
Host Europe: Was wird aus euren Projekten? Werden die Konzepte weiterentwickelt? Wie finanziert ihr eure Projekte? Entwickelt Ihr Konzepte für kommerzielle Anwendungen?
Julian: Unser Festival finanziert sich aus den Ticketverkäufen und Sponsorengeldern. Über das Festival hinaus arbeiten wir aber auch in Projekten mit Kunden, um beispielsweise zwischen Künstlern und Wirtschaft zu vermitteln.
Und was die Arbeiten angeht, die wir beim Festival zeigen oder die in unserer Berliner Community entstehen, gibt es eine breite Vielfalt an Finanzierungsstrategien. Eine Vielzahl arbeitet nehmen freien künstlerischen Projekten ganz klassisch in Kundenprojekten. Anderer können sich aber auch durch öffentliche künstlerische Förderungen, Ausstellungen und internationale Festivals ihre Arbeiten finanzieren.
Host Europe: Julian, du bist praktisch der Kopf (der Vater) der Retune Community. Wie bist du eigentlich dazu gekommen und was fasziniert dich an der Retune Community?
Julian: Nach dem Abitur habe ich mich für einen Ingenieurstudium – genauer Mechatronik – entschieden. Ich interessierte mich schon damals dafür, Neues zu schaffen und wollte irgendwie Erfinder werden. Während des Studiums wurde mir dann klar, dass eine klassische Laufbahn als angestellter Ingenieur in einem Unternehmen nicht das richtige für mich ist. Ich wollte was kreativeres machen und habe dann in meiner Diplomarbeit mit zwei Produktdesignern zusammengearbeitet und eine Maschine entwickelt, die mit Paintballs riesige Bilder an Wände schießen kann. So bin ich dann in dieser Schnittstelle zwischen Kunst und Technologie gelandet. Und da es in Berlin damals kein richtiges Treffen für solche Menschen wie mich gab, habe ich eben selbst eins ins Leben gerufen.
Host Europe: Als Retune Community plant ihr nicht nur die Retune Festivals, sondern ihr veranstaltet auch regelmäßig die sogenannten Studio Visits in Berlin. Was ist das für ein Konzept?
Julian: Wir wollten neben den ein- bzw. zweijährlich stattfinden Festivals auch regelmäßigere Formate für Austausch und Vernetzung schaffen und hatten dann 2014 die Idee, das in Form von offenen Studios zu machen. Das schöne daran: Man bekommt einen sehr intimen Einblick in die Arbeit des jeweiligen Gastgebers, weil man sieht, wie die Person arbeitet, welche Arbeiten gerade unfertig auf dem Tisch liegen und was vielleicht gerade in die Ecke geschmissen wurde.
Die Visits finden jeden Monat statt und sind kostenlos.
Host Europe: Wo wart ihr in letzter Zeit und was waren für dich die spannendsten Themen? Gib uns ein paar Beispiel?
Julian: Wir haben jetzt knapp 30 Besuche organisiert und es waren viele spannende Designer und Künstler dabei. Von Sounddesign-Studios, Innovationsberatungen, Studios für Virtual/Augmented Reality und generative Gestaltung bis hin zu absoluten Tech Nerds haben wir viel gesehen. Neben kleinen Studios steht manchmal aber auch sowas wie das Future Center von Volkswagen in Potsdam auf dem Programm.
Host Europe: Die Retune-Community ist praktisch in Berlin verortet. Hier finden eure Festivals statt. Gibt es die Retune-Communities auch in anderen Städten?
Julian: Wir sind eng vernetzt mit ähnlichen Festivals und deren Communities in Deutschland und Europa. Wir denken aber durchaus darüber nach, das Festival auch in andere Städte zu bringen und mittelfristig auch zu internationalisieren.
Host Europe: Wo erfährt man Näheres zu Euren Veranstaltungen?
Julian: Unsere Website ist gerade im Umbau, aber der Relaunch steht mittlerweile kurz bevor. Bis dahin ist aber unser Newsletter und unsere Social Media Kanäle Twitter #retuneberlin, Instagram retuneberlin, Facebook Retune die besten Informationsquellen.
Host Europe: Wann und wo ist das nächste Retune Festival?
Julian: Auf jeden Fall in 2020 in Berlin. Wir sind aber auch gerade in Verhandlungen mit einem Sponsor, der vielleicht auch schon ein Festival in 2019 ermöglichen könnte.
Unser nächstes Projekt ist jetzt aber erstmal das nächste Digital Arts Lab, das im April in Kollaboration mit dem Bitkom Verband im Rahmen der hub.berlin stattfinden wird.
Host Europe: Seid ihr schon bei der Planung?
Julian: Eigentlich sind wir nie ganz raus aus der Planung 🙂
Host Europe: Vielen Dank für das Gespräch.
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