Kunden wünschen sich einfache Lösungen in Zeiten komplexer Anforderungen. Klingt irgendwie widersprüchlich? Doch das ist die Realität vor allem im B2B-Vertrieb. Live-Visualisierung (Visual Selling) ist die einfache Lösung!

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Im B2B-Vertrieb zu komplexen Produkten ist die Fokussierung auf das individuelle Kundenbedürfnis nicht nur eine Theorie. Jeder Kunde ist individuell und hat einzigartige Probleme. Um diese zu lösen muss sich der Vertrieb gemeinsam mit dem Kunden an einen Tisch setzen. Schnell stehen schwierige Anforderungen komplexen Lösungen gegenüber. Diese werden gern im Vorfeld vom Vertrieb in zeitaufwendigen PowerPoint-Folien ausgearbeitet, um dann festzustellen, dass Sie nicht individuell genug sind. Das Resultat ist: Der Kunde zögert. Marko Hamel von Visual Selling bietet hierfür eine ganz einfache und gänzlich non-digitale Lösung: Den Visual Selling Sales Punch. Im Interview erklärt er, wie Sie visuelles Denken lernen und warum Zettel und Stift eine wirksame Waffe gegen Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning im Vertrieb sind.

Frank Panser: Egal in welches Unternehmen oder welche Abteilung man geht – Digitalisierung ist das Schlagwort Nummer Eins. Mit fast zwei Jahrzehnten Erfahrung im SAP-Umfeld haben Sie die Digitalisierung von den Kinderschuhen an begleitet. Wo sehen Sie aktuell die größte Herausforderung im Vertrieb?

Marko Hamel: Die Datenmengen nehmen immer stärker zu und die Abhängigkeiten durch unternehmensübergreifende Prozesse werden komplexer. Jeder Kunde ist anders. Auch wenn wir es aus Gründen der Skalierbarkeit gerne anders hätten: Es gibt immer seltener DAS Standardkundenproblem, für welches einfach nur eine einigermaßen passende Lösung aus dem eigenen Portfolio gezogen werden muss. Und wer das tut, befindet sich bereits in der Abwärtspreisspirale zusammen mit den anderen Marktbegleitern. Sie bieten Lösungen von der Stange an – Commodity. Doch die Innovation ist auf der anderen Seite des Spektrums. Hier wird investiert. Erfolgreich sein im Zeitalter der Digitalisierung geht also komplett anders! Die Probleme der Kunden sind multidimensional und individuell. Dabei ist das eigentliche Problem meist hinter einem Berg von Anforderungen, Wünschen, Informationen und Herausforderungen versteckt. Dieses herauszufinden und einfach und prägnant darzustellen ist die Aufgabe eines modernen Vertriebs im digitalen Zeitalter. Er arbeitet kundenzentriert, statt produktzentriert. Der Vertrieb gestaltet gemeinsam mit dem Kunden und präsentiert nicht mehr die vielen Features seines Standard-Produktes. Nur wenn es einem Anbieter und seiner Marketing- und Vertriebsmannschaft gelingt, Kundennutzen nicht mehr nur abstrakt, sondern direkt in Kundenkontext co-kreativ zu erarbeiten, sowie in klaren Bildern auf den Punkt zu bringen, wird er dem digitalen Wandel für den jeweiligen Kunden begreifbar und umsetzbar machen. Das beste Bild für das Problem gewinnt das Rennen.

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Frank Panser: Sie beschreiben einen Wandel, der in der Marketing-Theorie schon länger existiert. Bisher schien er aber nur schwer in der Praxis ganzer Vertriebsmannschaften oder in den Unternehmensstrategien Einzug zu halten. Seit wann gibt es diesen Wandel? Gibt es da vielleicht bestimmte Trigger?

Marko Hamel: Diesen Wandel gibt es in Deutschland seit ca. 5 Jahren. Das konnte ich sehr gut in meiner mehr als 15-jährigen Tätigkeit in Beratung, Vertrieb und Prozessaudit im Umfeld von SAP Software deutlich spüren. Zunächst im europäischen Ausland, später auch in Deutschland, habe ich festgestellt, dass das Angebot und der Einsatz spezialisierter Cloud-Lösungen zunehmend zu einer Verlagerung der Entscheidungsträger führte. Während bis vor 5 Jahren Software und Informationstechnik die alleinige Angelegenheit des CIO’s waren, sind nun die Fachbereiche (Lines-of-Business) immer mehr involviert. Diese und auch die Top-Entscheider interessieren sich jedoch nicht für IT. Sie interessieren sich für Lösungen Ihrer Business-Themen. Dazu ein Beispiel: SAP HANA ist eine in-Memory Datenbank. Doch niemand braucht in-Memory Datenbanken der Technologie wegen. Die Kunden wollen die Ergebnisse komplexer systemübergreifender Analysen in Echtzeit – und zwar um Business-Entscheidungen informiert treffen zu können. Als Vertrieb muss ich hier ansetzen. Welche wesentlichen Business-Entscheidungen stehen an? Welche Daten benötigt der Kunde hierfür? Wie laufen die Entscheidungswege und die Datenaufbereitung im Moment ab? Und dann, wenn das eigentliche Problem bekannt ist – warum wurde es bisher noch nicht angegangen? Der geschulte Vertriebsexperte entwickelt daher zusammen mit dem Kunden das individuelle Problem und den tatsächlichen Mehrwert. Dieser lässt sich als Business Case in einem Gesamtbild darstellen – und zwar nicht nur abstrakt im Kopf, sondern ganz konkret in Wort und Bild, live visualisiert auf dem iPad. Der Kunde versteht, was in-Memory für sein Business Szenario bedeutet und warum er einfach investieren muss.

Frank Panser: Beim Stichwort Visualisierung denken viele immer gleich an Content- und Inbound Marketing. Da werden gern Infografiken und Erklärvideos genutzt. Also das ganze Repertoire, um komplexe Sachverhalte möglichst einfach darzustellen. Wenn ich selbst dann aber an Workshops oder Präsentationen teilnehme, erlebe ich wahre Power-Point-Schlachten mit ganzen Romanen. Was denken Sie, woher diese starke Kluft kommt?

Marko Hamel: Der häufigste Grund ist: mangelnde Flexibilität und die Bereitschaft, sich mit dem Kunden gemeinsam auf neues Terrain zu begeben. Vorgefertigte Präsentationen geben Sicherheit und gleichzeitig sind sie ein sehr enges Korsett, in dem das Gespräch gefangen bleibt. Vielleicht kennen Sie auch die folgende Situation: Ein Gespräch kommt vom eigentlichen Thema ab, der Kunde bringt einen neuen Aspekt ein – und plötzlich ist keine Backupfolie da. Dann kommt der Präsentierende ins Schwimmen. Wenn er souverän ist, nutzt er gute Geschichten und das Whiteboard, um auch dieses neue Thema im Sinne des Kunden zu (er)klären. Wenn nicht, ist das Gespräch schon fast zu Ende. Visuell zu arbeiten heißt, Anders-als-Alle-Anderen zu sein. Im Content- und Inbound-Marketing haben Unternehmen den Mut dazu. Aber Ad-hoc aus der Situation fehlt es häufig an grundlegenden Kompetenzen in der visuellen Sprache und dem Einsatz von Live-Visualisierungen zur Darstellung erklärungsbedürftiger und abstrakter Sachverhalte.

Frank Panser: Ihre Dialog-Methode setzt ja genau bei dem Problem an. Was muss ich als Anwender an Voraussetzungen mitbringen, um die Methode zu nutzen?

Marko Hamel: Die wichtigste Voraussetzung ist es, sich wirklich auf Augenhöhe zu begeben. Es geht nicht um Hard-Selling, sondern um das gemeinsame Lösen komplexer Businessprobleme mit dem Stift – also kooperativ.

Hierbei sind drei Dinge essentiell:

  1. Eine gute Struktur, um die Informationen und Daten sinnvoll im Kontext zu visualisieren.
  2. Die richtigen Fragen, um den kreativen Prozess anzuleiten.
  3. Der einfache Strich, um schnell Gedanken in Bilder zu verwandeln.

Wenn dies gepaart ist mit echtem Interesse am Kunden und seinen Themen, lassen sich in sehr kurzen Meetings alte Denkmuster aufbrechen und in vermeintlich festgefahrenen Situationen echter Mehrwert für den Kunden schaffen. So machen Kundengespräche Spaß und bringen einen Gewinn für beide Seiten.

Frank Panser: Mit Visual Selling und Ihrer Dialog Methode haben Sie eine Lösung gefunden, die im Gegensatz zu den neuen digitalen Kanälen wieder mehr Nähe schaffen kann. Macht das vielleicht den ganz besonderen Reiz für Ihre Kunden aus?

Marko Hamel: Ja, auf jeden Fall. Denn generell ist es in der heutigen Welt so, dass viele Menschen nur abstrakt sprechen, kaum noch zuhören und letztendlich nur noch ihre Lösung stupide präsentieren. Dabei geht Nähe verloren, die gerade im Vertriebsgespräch jedoch sehr wichtig ist.

Lassen Sie sich stattdessen auf Ihren Gesprächspartner ein und seien Sie dazu bereit, gemeinsam etwas Neues, etwas Innovatives zu erschaffen. Prüfen Sie, was Ihr Kunde tatsächlich möchte und bringen Sie dies für beide sichtbar zu Papier. Beziehen Sie ihn dabei immer wieder mit ein, sodass er selbst seine Ideen mit einfließen lassen kann. So gelingt es, gemeinsam etwas zu gestalten – vielleicht sogar die perfekte Lösung, die es so vorher noch nicht gab.

Frank Panser: Gab es einen Aha-Moment für Visual Selling oder ist das Geschäftsmodell ganz strategisch „am Flipchart“ entstanden?

Marko Hamel: Es hat sich strategisch weiterentwickelt. Entstanden ist es bei einem Kunden in Norwegen, im Jahr 2007. Es war eine dieser Standard-Präsentationen, in der wir eine komplexe Softwarelösung für Risk-Management verkaufen wollten. Doch der Kunde hat den Nutzen trotz größter Bemühungen und bester Erklärungen nicht verstanden. Erst als wir sein Szenario am Flipchart mit dem Stift entwickelt und gemeinsam sein größtes Risiko sowie dessen Lösung dargestellt haben, hat er erkannt, was ihm dieser Ansatz bringt und wie die Software ihn unterstützen kann. Also erst durch das Feedback des Kunden und durch die gemeinsame visuelle Darstellung wurde es zur wertstiftenden Lösung und letztendlich auch verkauft.

Solche Szenarien machen mir immer wieder die Richtigkeit der Aussage von Konfuzius (551-479 v.Chr.) deutlich:

Ich höre, Ich vergesse, Ich sehe,
Ich erinnere mich, Ich tue,
Ich verstehe es

Frank Panser: Welche Vorreiter und Vorbilder gibt es für Visual Selling?

Marko Hamel: Ein ganz großes Vorbild für uns und unsere Tätigkeit ist Dan Roam. Er hat für sich entdeckt, dass es nicht auf schöne Grafiken ankommt, sondern dass Menschen mit Hilfe von live visualisierten Bildern auf einer ganz anderen Ebene angesprochen werden können. Dass sogar ganz einfache Zeichnungen reichen, um komplexe Dinge darzustellen und strategisch Probleme zu analysieren. Wir haben uns daher mehrfach getroffen und sind auch weiterhin in regelmäßigem Austausch. Seine Erkenntnisse haben dazu geführt, dass wir weitergedacht haben.

Wir überlegten, an welchen Stellen im Business noch Probleme gelöst werden können. So sind wir auf das Thema Vertrieb gekommen und haben dieses Stück für Stück weiterentwickelt. Letztendlich stellten wir fest, dass alles Vertrieb ist: Andere von Ideen überzeugen, Produkte präsentieren oder Dienstleistungen erläutern. Natürlich geht das am besten mit Bildern.

Frank Panser: Sie haben ein Buch über Ihre Methode geschrieben. Darin beschreiben Sie sämtliche Arbeitsschritte mit praktischen Anwendungen. Präsentieren Sie in dem Buch nur das Basiswissen oder kann ich mit ein wenig Übung dann schon erste Erfolge in der Praxis erreichen?

Marko Hamel: Das Buch ist ein Arbeitsbuch. Das heißt, Sie können sofort mit den darin enthaltenen Vorlagen loslegen und erzielen damit bereits nach wenigen Seiten erste Erfolge und AHA-Erlebnisse. Dabei lernen Sie nicht nur etwas über sich selbst und über Ihr Kommunikationsverhalten, sondern auch über die Art, wie Sie mit dem Stift Ihren Kunden verstehen und ihm einen echten Nutzen bieten. Wenn Sie das umsetzen, führen Sie bald mittels visueller Sprache und der Kombination aus Bild, Text und Struktur Ihren Kunden durch den Prozess – und Sie werden wie nebenbei zum echten Experten des Business ihres Kunden, sowie zu seinem wertvollsten Berater auf dem Weg der digitalen Transformation.

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Gerade in der heutigen digitalen Welt, in der eigentlich alle Lösungen vergleichbar und verfügbar sind, stellt diese Methode ein gewisses Extra dar, sich vom Wettbewerb abzuheben.

Frank Panser: Denken Sie, dass durch KI und Machine Learning Ihre Methode bald überholt ist?

Marko Hamel: KI und Machine Learning kann nur das, was irgendwann einprogrammiert wurde. Auch der Lernfaktor ist nur so gut, wie sein menschlicher Erfinder und läuft in gewissen Bahnen ab. Diese Methoden scheitern spätestens dann, wenn es um neue Dinge geht und um Kreativität, mit Menschen zu interagieren. Denn für die Kommunikation und die richtige Verhaltensweise im Gespräch sind Rapport und Feingefühl gefragt. KI kann zwar bestimmte Reaktionen feststellen – und wahrscheinlich mehr als jeder Mensch – doch sie wird nie sinnvoll entscheiden, welche Gegenreaktion höflich oder angebracht ist. Es bleibt wahrscheinlich immer ein komisches Gefühl. Gerade für Gesprächssituationen, in denen es auf Vertrauen ankommt, ist dies nicht geeignet. Und deshalb auf Ihre Frage zurück kommend: Nein. KI kann zwar unterstützen und bestimmte Situationen verbessern oder ersetzen, aber wenn es darauf ankommt – im Dialog mit den Kunden – zählt immer noch der Mensch. Und in unserem Fall mit Unterstützung von Zettel und Stift, visuellen Denken und natürlich auch von Technologie steht der Mensch weiter im Mittelpunkt.

Frank Panser: Vielen Dank und die Zeit für das spannende Interview.

Marko Hamel
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